Der Vermögensarrest nach §§ 111e ff. StPO – Möglichkeiten der Verteidigung

Der Vermögensarrest nach §§ 111e ff. StPO – Möglichkeiten der Verteidigung? Was genau ist darunter zu verstehen?
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Der Vermögensarrest nach §§ 111e ff. StPO – Möglichkeiten der Verteidigung

I. Einführung

Zur Veranschaulichung der erheblichen Grundrechtsrelevanz sowie der Auswirkungen des Vermögensarrestes nach den §§ 111e ff. StPO als prozessuale Maßnahme zur Sicherung der Wertersatzeinziehung von Taterträgen, Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten, soll folgendes Beispiel vorangeschickt werden:

Im Rahmen eines geheim angelegten Ermittlungsverfahrens wegen Steuerhinterziehung in großem Ausmaß verdichtet sich in den Augen der Ermittlungsbehörden nach geraumer Zeit die Verdachtslage. Es ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Verdächtigen durch Straftaten illegale Erträge generiert haben, woraufhin es an Tag X zu einem breit angelegten „Zugriff“ kommt:

  • Die Betroffenen erfahren erstmalig von Ermittlungsverfahren und erhobenen Vorwürfen
  • Es kommt zur Durchsuchung von Wohnungen und Geschäftsräumen
  • Konten werden gepfändet, Grundstücke mit einer Sicherungshypothek belegt, bare Rücklagen beschlagnahmt, weitere Vermögenswerte, wie Schmuck oder Forderungen werden gepfändet

Für die Betroffenen bedeutete das eine plötzlich virulent werdende Extremsituation, die existentielle Fragen aufwirft:

  • Wie können offene Rechnungen beglichen werden? Wie können Kredite bedient werden?
  • Was ist, wenn die Bank daraufhin von außerordentlichen Kündigungsrechten Gebrauch macht und Darlehen fällig stellt?
  • Wie entlohne ich als Unternehmer meine Angestellten? Kann der Geschäftsbetrieb aufrechterhalten werden?

II. Voraussetzungen

Der Vermögensarrest gewährt als Rechtsgrundlage für Pfändungen in einzelne Sachen oder Rechte den Zugriff auf beliebige (inkriminierte und nicht inkriminierte) Teile des pfändbaren Vermögens. Er ist durch hohe Eingriffsintensität und niedrige Anordnungsvoraussetzungen gekennzeichnet.

Erforderlich ist zunächst ein Sicherungsbedürfnis. Der Vermögensarrest ergeht zur Sicherung der Vollstreckung der Wertersatzeinziehung, die ihren materiell-rechtlichen Anknüpfungspunkt in den §§ 73c, 74c StGB hat. Umstritten ist bereits, was sich hinter diesem Erfordernis verbirgt. Während das OLG Stuttgart die Auffassung vertritt, dass dies ein bloßes finales Element zur Sicherung der Vollstreckung sei, fassen das OLG Hamburg und das OLG Schleswig das Erfordernis enger auf. Danach seien konkrete Anhaltspunkte erforderlich, dass ohne die Anordnung die Wertersatzeinziehung ernstlich gefährdet ist.

Ferner muss ein Verdacht bzgl. der Wertersatzeinziehung gegeben sein, sprich die begründete Annahme, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen. Damit werden die materiell-rechtlichen Regelungen der §§ 73 ff. StGB adressiert. Hierfür ist ein einfacher Tatverdacht grundsätzlich ausreichend.

Die Anordnungskompetenz steht grundsätzlich unter Richtervorbehalt, bei Gefahr im Verzug kann die StA anordnen, vgl. § 111j Abs. 1 StPO. Dann ist eine gerichtliche Bestätigung innerhalb einer Woche erforderlich.

In der Anordnung müssen der zu sichernde Anspruch sowie der Geldbetrag bezeichnet werden. Weiter muss ein Geldbetrag festgesetzt werden, der durch Hinterlegung zur Abwendung des Arrestes führen kann

III. Möglichkeiten der Verteidigung

Im Folgenden sollen zunächst kurz die Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Arrestanordnung als solche und die Vollziehungsmaßnahmen des Vermögensarrestes, insbesondere der Pfändungsschutz skizziert werden. Anschließend werden in einem weiteren Schritt informelle Strategien der Verteidigung vorgestellt, die den prozessualen Sicherungsmaßnahmen vorbeugen können oder auf materiell-rechtlicher Ebene eine Einziehung unmöglich machen.

1. Rechtsschutz gegen die Arrestanordnung

Liegt eine (noch) nicht richterlich bestätigte Anordnung der StA vor, kann jederzeit die Entscheidung des Gerichts beantragt werden, § 111j Abs. 2 S. 3 StPO. Gegen richterliche Beschlüsse ist die (einfache) Beschwerde gem. §§ 304, 305 S. 2 StPO statthaft. Gegen die darauffolgende Beschwerdeentscheidung kann – sofern der Arrestbetrag mehr als 20.000 € beträgt – mit einer weiteren Beschwerde gem. § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO vorgegangen werden. Die darauffolgende Entscheidung des Gerichts ist vor ordentlichen Gerichten unanfechtbar und kann allenfalls bei Grundrechtsverstößen vor das BVerfG gebracht werden.

2. Rechtsschutz gegen die Maßnahmen in Vollziehung des Arrestes

Gegen die Maßnahmen, die in Vollziehung des Arrestes getroffen werden, kann die Entscheidung des zuständigen Gerichts beantragt werden. Steht ein Arrest, der wegen einer Geldstrafe oder der Verfahrenskosten angeordnet wurde in Rede, ist gem. § 111g Abs. 2 StPO auf Antrag des Beschuldigten eine Vollziehungsmaßnahme aufzuheben, soweit der Pfandgegenstand zur Aufbringung der Kosten seiner Verteidigung, seines Unterhalts oder des Unterhalts seiner Familie benötigt wird. Dieser Schutz wird jedoch nicht gewährt, wenn sich die Arrestanordnung nicht auf eine Geldstrafe oder die voraussichtlichen Verfahrenskosten bezieht.

111f Abs. 1 StPO verweist auf die §§ 928, 930 ZPO, die ihrerseits auf die §§ 704 ff. ZPO bzw. §§ 808 ff. ZPO verweisen. Damit sind das Verbot der Überpfändung nach § 803 ZPO, unpfändbare Sachen nach § 811 ZPO, sowie die Vorschriften zum Schutz des Arbeitseinkommens nach §§ 850 a-k ZPO erfasst.

Problematisch erscheint allerdings die mangelnde Kompatibilität mit strafverfahrensrechtlichen Grundsätzen, insbesondere dem nemo tenetur Grundsatz. Denn die erfolgreiche Berufung auf die zivilprozessrechtlichen Instrumente bedarf mit Blick auf den Beibringungsgrundsatz der Offenlegung persönlicher Verhältnisse, was im Strafverfahren freilich nicht erforderlich, geschweige denn verpflichtend ist.

Darüber hinaus wird mit dem bloßen Verweis auf §§ 928 und 930 ZPO das zivilprozessuale Schutzniveau nicht erreicht, sodass der Pfändungsschutz von kritischen Stimmen für defizitär erklärt wird.

3. Informelle Strategien der Verteidigung

a. Frühzeitiger Vergleich mit dem Verletzten

Gem. § 73e StGB ist die Einziehung ausgeschlossen, soweit der Anspruch des Geschädigten erloschen ist. Diese Zivilrechtsakzessorietät eröffnet eine „vergleichsfreundliche“ Ausgestaltung hinsichtlich privatautonomer Vereinbarungen zwischen Verletztem und Beschuldigtem. So kann entweder durch Erfüllung (§ 362 BGB) oder durch Erlass (§ 397 BGB) der Anspruch zum Erlöschen gebracht werden, sodass die Einziehung nicht mehr möglich ist. Dieses meist vom Beschuldigten initiierte Modell zeichnet sich durch die bilaterale Interessenbefriedigung aus. Dadurch dass der Beschuldigte dazu beiträgt, die rechtswidrige Vermögenslage nicht weiter zu perpetuieren, wird sich dies positiv auf die Strafzumessung auswirken. Auf Seiten des Verletzten wird dessen zeitlichen und pekuniären Interessen dadurch Rechnung getragen, dass ein Zivilprozess obsolet wird. Ferner wird die Wirkung des § 111h Abs. 2 StPO umgangen, der den Vorrang der Arrestvollziehung gegenüber Vollstreckungsversuchen Dritter regelt.

b. Informelle Hinterlegungslösung

Bei der Hinterlegungslösung wird über den Verteidiger ein Treuhandkonto errichtet und eine Versicherungserklärung gegenüber der Strafverfolgungsbehörde zu dem Verwendungszweck des Kontos abgegeben. Damit soll die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit vor allem im Unternehmensverkehr gewährleistet werden, um weiterhin Gläubiger bedienen zu können. Voraussetzung hierfür ist das Einverständnis der Ermittlungsbehörde und die Offenlegung der Vermögensverhältnisse. Wichtig ist, dass das Vorgehen mit der Verteidigungsstrategie nicht konfligiert.

c. Hinterlegung vorbeugender Schutzschrift

Werden gewisse staatliche Ermittlungsmaßnahmen antizipiert, kann eine vorbeugende Schutzschrift hinterlegt werden. Inhaltlich wird auf das Merkmal des Sicherungsbedürfnis Bezug genommen, indem versucht wird durch Offenlegung der Vermögensverhältnisse, der Person und dessen Lebensumstände aufzuzeigen, dass ein solches nicht besteht. Angesichts der Nähe zur teilgeständigen Einlassung, wird auch hier das nemo tenetur Prinzip flankiert.

IV. Fazit

Zusammenfassend lässt sich der Vermögensarrest als eingriffsintensive und aufgrund der niedrigen Anforderungen nicht unproblematische Sicherungsmaßnahme konturieren, die den Betroffenen in eine prekäre Situation versetzen kann. Die Schwelle des Anfangsverdachtes ist angesichts der erheblichen Betroffenheit des Art. 14 GG verfassungsrechtlich durchaus bedenklich. Die oben skizzierte defizitäre Ausgestaltung des Pfändungsschutzes trägt diesen Bedenken freilich keine Rechnung. Was also für Ermittlungsbehörden eine dem gesetzgeberischen Credo “Verbrechen darf sich nicht lohnen” zuträgliche Sicherungsmaßnahme ist, ist für die Betroffenen zumeist ein aufwendiger, zeit- und kostenintensiver Lebensabschnitt, der mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden ist.

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